Räubergeschichten (aus dem Mattiswald)

Montag, 17. Mai 2010

Dunkle Materie

Für einen Moment war es mir peinlich, dass ich so viel hier geschrieben hatte. Was, wenn er wirklich alles gelesen hatte? Wenn er all meine Kämpfe und meine Zerrgedanken miterlebt hatte? Egal, was er dann von mir denken würde, war es nicht schlicht und ergreifend peinlich, dass ich ihn das alles mitlesen und -fühlen ließ? Doch einmal will ich konsequent sein und das letzte Mal teilhaben lassen, wer eigentlich nicht teilhaben sollte. Eigentlich sollte ja niemand teilhaben, und außer den geschätzten Lesern hier tut das auch niemand, keine Menschenseele. Oh.

Etwas in mir wollte nicht hingehen. Oder wollte hingehen, aber nicht zum ersten Termin, denn der zweite hätte Bequemlichkeit und Wärme beinhaltet. Als ich dort stand, lag Ferne in der Luft, sachte Traurigkeit durchzog mich. Nein, er sah nicht mehr aus wie derjenige, an dem ich das Sehnen geübt und dessentwegen ich das Sehnen abgestellt hatte. Nie wieder Sehnen nach einem anderen Menschen. Er war entfernt, und ich erkannte, dass ich ihm nur nahe gewesen war, weil ich ihn gewollt, mich nach ihm gesehnt hatte. Weil meine Idee von ihm so groß, jede Geste, jedes Wort von ihm so schön und so wichtig gewesen war. Er sah versteckt aus. Die Augen leuchteten, aber etwas verkleidete ihn.

Der Wortwechsel hinterher war mager. Oder eigenartig. Oder merkwürdig. Menschen, die ich an einem für mich sehr intensiven Abend kennengelernt hatte, konnten sich erinnern, mich aber nicht so recht einordnen - ich war leicht desillusioniert. Fragen kamen im seltsamen Kleid - "Gehörst du zu ihm?" -, das eine ehrliche Antwort in diesem Fall lange dauern lässt, was sie auch tat. Auch weil ich stumm war. Ich hoffte auf eine Umarmung, darauf eben, dass die letzten Ereignisse unsere Nähe nicht zerstört hätten. Obwohl, die Nähe war ja eh nicht mehr da, aber vielleicht der Ansatz der Verbindung. Die Umarmung formte sich, aber im Gegensatz zur letzten Abschiedsumarmung fühlte ich nicht mehr "der richtigste Ort der Welt". Auch Absoluta gehen.

Irgendwann hinterher sagte M, der an diesem Tag zwei Sätze eingeflochten hatte, die mich zum ersten Mal denken ließen, dass er einen Grund für deren Erwähnung und geschickte Platzierung hatte: "Der B war heute ein wenig einsilbig." Ich schwieg. Nach einer Weile fragte er: "Was ist? Du bist so ruhig." Ich antwortete wahrheitsgemäß: "Oh. Na ja, es gibt darauf ja nichts zu sagen."

Gut, ich hätte eine Analyse der Gründe beginnen können, die hinter der Wortkargheit gesteckt haben mochten, der vermuteten und der bloß arg spekulativen, aber so etwas hätte meine Gesundheit in mehr als nur einer Art gefährdet. Ja, ich habe mir Gedanken gemacht, doch die waren einer Natur, die eher Nebelschwaden glich. Warum eine bleischwere Betrachtung anstellen, wenn man Mühe hat, zu schwimmen? Da war irgendwas mit "vielleicht hat ihn etwas an Einsamkeit erinnert", dann etwas mit "vielleicht fühlt er sich von mir ausgenutzt". Seine Wortwahl, ach, seine Wortwahl. Sie war vordergründig neutral, doch ich hörte etwas Seltsames. Tja, die Botschaft entstand erst bei der Hörerin. Erst viel später tauchte der Gedanke ins Bewusstsein auf, dass ich vielleicht in meiner abwartenden, passiven Haltung seine seltsame begünstigt hatte. Ich hatte ihn mehr oder weniger betrachtet, über die weiteren Ereignisse im Unklaren, nach Zeichen suchend, ob es noch eine Unterhaltung geben würde. Immerhin war ja auch M da. Doch er schien erfreut, mit den anderen weggehen zu können.

Wer weiß schon immer, nein, wer weiß schon jemals, was war.

Freitag, 30. April 2010

Die Ortsunschärfe der Krone

Ein Tag kann unglaublich viel enthalten. Schon zu Mittag war er voll genug, und ich hätte mich gut und gerne ins Bett legen und Eindrücke im Traum verarbeiten können. Stattdessen schleppte ich mich nach dem Eisessen mit den netten neuen Bekannten durch die Altstadt, um mich zum Zug zu schleppen und mich dann vom Zug nach Hause zu schleppen.

Was ist es nur, das mich so erschöpft? Sind es Sorgen, die sich noch nicht bis ins Bewusstsein durchgearbeitet haben? Ist es schlicht die Umwandlung von körperlicher Belastung in Form einer Schultertasche mit unglaublich schlechter Druckverteilung in seelische Belastung? Oder war meine Reizschwelle in diversen Übungen und Gesprächen im Seminar einfach schon erreicht?

Interessante Beobachtung an mir selbst: Wenn ich müde bin, scheint sich der Bauch auszuschalten und nur noch der Kopf zu agieren. In der Mitte kommt dann nichts mehr an. Einzig guter Humor hat noch Chancen, sich durchzuschleichen bis in mein Inneres. Grandios: Der trockene Gunkl-artige Humor des Physikers. Eine sehr interessante Weltsicht, welche die Basis für viele gute Unterhaltungen sein kann.

Kurz davor, das letzte Spiel in der Seminargruppe: "Gesagt ist nicht verstanden." Stille Post mit Bildinformationen. Eine Zeichnung mit Text wird durch zehn Personen gefiltert und weitergegeben. Als vorletzte betrete ich den Raum und lasse mir von meiner Vorgängerin ihre spärlichen Informationen mitteilen. Da ich nachfragen darf, will ich klarstellen, welcher der beiden Männer in dem Bild denn die Krone trage. Sie: "Das ist egal." Ich grinse. Interessante Formulierung. Ob sie es wohl nicht weiß? Und ob schon sie von ihrer Vorgängerin die Gleichgültigkeit mitbekommen hat? Der Physikus betritt das Zimmer, ich beschreibe ihm das Bild genauso, wie ich es beschrieben bekommen habe. Auf der Stufe ist das keine große Kunst mehr - drei Sätze merkt man sich leicht auswendig. Auch er fragt nach: "Wer trägt denn die Krone?" Ganz gewissenhaft informiere ich ihn: "Das ist egal." Es bricht aus ihm heraus: "EGAAAAL??!!??!!" Das mathematisch-logische Entsetzen wabert in der Luft. Die Hälfte der Teilnehmer wirft sich fast von ihren Stühlen vor Lachen.

Aber irgendetwas gibt es, das mich ermüdet. Das Unangenehme passiert immer unangekündigt. Beinahe zuhause stehe ich an der Ampel und schalte während des Wartens den Ton an meinem Handy wieder an. In einer Schrecksekunde erkenne ich Kelly Bundy vor mir, die sich in derselben Sekunde umdreht. Ich bin noch nicht zu den Heiligen übergetreten, die alle Welt sympathisch finden können. Kelly Bundy ist äußerst unangenehm. Unter allen Schülerinnen war sie wohl die nervigste und anstrengendste, die ich je erlebt habe. Ich schaue sofort wieder auf mein Handy, gebe mein Erkennen nicht zu erkennen. Sie flüstert ihrem Begleiter zu: "Das ist die..." Noch immer denkt sie, Erwachsene wären taub. Ich bin deprimiert. Viel zu müde, um irgendetwas zu tun, außer vorzeitig abzubiegen und einen anderen Weg nach Hause zu nehmen. Kelly ist wirklich nicht weiter erwähnenswert. Aber durch unser kurzes und vergessenswürdiges Zusammentreffen sind ein paar alte Gedanken wieder aufgetaucht. Manchmal ist es schwer, die Männerwelt zu verstehen. Nein, in diesem Fall die Buben. Es laufen so viele hübsche und schöne Mädchen herum; dann ist da eine, die aussieht wie eine Puppe, auch mit dem Verständnis einer Puppe in den Augen, und sie wird als Schulschönheit empfunden. Das könnte einem egal sein, wenn nicht viele andere Mädchen sich an dem orientieren und geknickt sein würden, weil sie nicht so aussehen, sondern normal und von innen strahlend. Ich verstehe es nicht. Da kommen wohl auch meine ureigenen Erlebnisse aus der Pubertät wieder, als auch ich nicht verstand, warum die Schrecklichen Fünf immer viel angesehener waren als die normalen Mädels. Als ich neulich meine nun in der Stadtpolitik weilende frühere Klassenkameradin sah, spürte ich noch immer denselben Stich, als sie mich mit Dolchaugen anblickte. Die selbstsicherste und unabhängigste Frau kann manchmal 20 Jahre zurückversetzt werden und sich daran erinnern, wie sie den Sturschädel-Tyranninnen etwas Böses gewünscht hat.

Wo war ich? Wenn ein Gefühl ein paar Tage lang da ist und plötzlich, wenn man sich mit den Visionen und den Themen beschäftigt, die das Feuer in einem brennen lassen, wieder verschwunden ist, was bedeutet das dann? Ist das ein temporärer Verlust aufgrund akuter Reizüberflutung? Ich kann es nicht lösen und werde es wohl sein lassen, bis sich mein Bauch wieder meldet.

Montag, 19. April 2010

Mix and mingle

Die dunkelblauen Säulen waren vertraut - doch die Zeit der Sentimentalität schon vorbei. Ich kam zurück, und es war wie ein Blick in ein altes Kinderbuch. Ich suchte seine Nummer und wählte. "Hallo! Wo bist du? Bist du schon da?"
"Ja, ich bin im Keller, schau mir die Ausstellung an. Wo bist du?"
"Ich bin schon da, im Foyer. Ich komm runter."

Tiptaptiptap die Stufen runter. Suchende Blicke zwischen Exponaten, Menschen und mehr Säulen. Ah, ich sehe einen dunklen Schopf, der mein Herz ein wenig erwärmt. Als ich beinahe bei ihm bin, nimmt er mich wahr, dreht sich her, wir sehen uns an, das erste Mal seit drei, vier Jahren. Seine Augen strahlen. Er versucht, etwas zu sagen, stockt ein paar Sekunden. Ich strahle ihn auch an. Schließlich bringt er heraus: "Wwwwow! Gut schaust du aus!"
Ich erwidere: "Danke! Du auch!"

Thus starts the story of a night like no other before. Though not in the sense he who loves a good romantic tale might think. No. We thought we lost you. Welcome back!

...

Montag, 12. April 2010

Panzerknacker

Manchmal trügen Ahnungen, weil der Mensch ja eine Neigung zum Suchen einer Kausalität hat. So fällt's mir auch nur auf, und ich lasse es dahingestellt sein, ob es ein zeitlicher oder ein kausaler Zusammenhang war. Es war nicht der erste solche Zusammenhang, der mir aufgefallen ist, aber auch zwei oder mehrere solcher Zusammentreffen von Interaktion und Folgehandlung lassen keinen Schluss zu. Anyway, it's only a plot, not a story.

Samstag, 27. März 2010

Plötzlich bin ich sehend

In an odd twist... ah, nein, es ist bloß ein eigenartiges Detail in meiner Geschichte. Es Schicksal zu nennen wäre melodramatisch. Und es ist wohl tatsächlich nur Zufall, dass ich ein Jahr danach wieder zum Flughafen unterwegs war. Diesmal, um eine Freundin zum Abflug zu begleiten. Ein Jahr danach - oder ein Jahr minus einen Tag, je nach Sichtweise. Die Augen gingen mir erst auf der Rückfahrt auf, nach Frühstück auf Barhockern, Abschied am Sicherheitscheck und Herumstreunen und Lesen im Presseladen.

Es lag ohnehin ein seltsamer Vorhang über meiner Existenz. Dann in der S-Bahn ohne meine Freundin, war die Pause meiner dahinmahlenden Daseinsveränderung vorbei. Netterweise schien die Sonne immer wieder zwischen Wolken hervor - auch wie vor einem Jahr - und ich konnte mich in einer hermetisch versiegelten Blase wähnen, in der meine Sitznachbarn nicht existierten und meine Gedanken nicht gut sichtbar in der Luft hingen.

Daglfing. Weil sie zufällig vor meinem Auge zu stehen kam, nahm ich die Werbetafel am Bahnhof war. Jemand - ein Kaufmann? hab's vergessen - bot seine Dienstleistungen an. Er hieß Kuschel. Was für ein schöner Name! Daneben eine Ärztin namens Liebig. Auch nett! Ich will jetzt nicht mehr nur das sein, was mein Name aussagt. Es ist zwar ein schöner Name, und schon öfters hat man mir gesagt, ich sei das, was er heiße. Doch als alleinige Lebensaufgabe oder Funktion ist das etwas dürftig. Man kommt dabei selbst recht wenig zum Zug. Seine eigene Vision kann man nicht verwirklichen.

Obwohl's Zufall war, dass meine Freundin genau heute auf Urlaub geflogen ist, fand ich die Symbolik gut. Ich fuhr vom Flughafen zurück und kann nun weitergehen. Die Zeit zwischen den Fahrten ist vorbei. Ich werde ewig dankbar sein, aber sie ist vorbei. Ich werde auch ewig eine Glut im Herzen haben, aber die Zeit ist vorbei. Viktor Frankl hat so tröstlich gesagt: "Im Vergangensein ist nichts unwiederbringlich verloren, vielmehr alles unverlierbar geborgen."

Ich bin eine Sehende; und man sieht bekanntlich nicht nur mit den Augen. "Es ist, was es ist" - sagt Erich Fried in seinem Gedicht. Doch nicht nur die Liebe sagt das, immer wieder sollte man sich selbst diese Sichtweise erlauben. Sie ist der einzige Weg, weiterzugehen.

So lange habe ich nach etwas gesucht. Gefunden habe ich gerade das nie. Zuletzt sah es nach einem sonnigen Tag aus. Doch wenn sie scheint, die Sonne, und um neun Uhr früh Wolken aufziehen, die bis Sonnenuntergang nicht vergehen, dann war es wohl doch ein bewölkter Tag. Daran ändert auch die Frage "Warum war es ein bewölkter Tag?" nichts.

"A little bit of heaven
But a little bit of hell"
(Mika)

Donnerstag, 25. März 2010

What it is...

Sometimes you're talking about something, and you're really talking about something else, too. Was I really talking about work? Was I manipulating my own perception of literal and metaphoric levels? And if there was a metaphoric meaning, wasn't I being absolutely mean?
I know what it means: I am stopping analyzing!!!

Sonntag, 14. März 2010

I got life, brother

Exakt vor 18 Jahren fand die Dernière meines ersten Musicals statt. Ist es seltsam, dass sich Daten so in mich einprägen? Ich weiß ja sogar noch immer das Autokennzeichen von ist-ja-jetzt-egal, obwohl es mit heutigem Wissen sein kann, dass B und K mich auch da nur veräppelt hatten. K: "Du, rate mal, wen wir im Bus gesehen haben!" Ich: "??" B: "Ihn!!!" Ich war ja so seltsam drauf, dass ich sogar davon erglühte. Jahre später die Information, casually dropped: "Du, das war nur erfunden. Du warst so süß drauf, man konnte dich so toll auf den Arm nehmen." Schön, wenn ich's auch gewusst hätte, und wenn ich gewusst hätte, wie meine besten Freundinnen drauf gewesen waren. Ja, heute ist mir auch klar, dass meine Anhimmelaktion schon beinahe an Selbstaufgabe grenzte. Aber ich bin halt eine Elefantin (sic!), und als solche hab ich es noch immer registriert, was sie getan hatten. Das war vielleicht meinem Ansinnen, endlich Mitgliedschaft in der Sekte der wir-schonen-uns-nicht-Jünger aufgenommen zu werden, abträglich. Macht nichts, jede Gruppe braucht eine, die irgendwie moralisch ein bisschen weniger antastbar ist, auch wenn sie's nicht weiß und nicht immer will.

Wo war ich? Ganz oder gar nicht. Solche seltsamen Aktionen haben mich vielleicht vorsichtiger gemacht, aber im Grunde gilt, was immer galt: Wer mich hat, der hat mich. Da muss schon etwas Erschütterndes passieren, dass ich meine Meinung ändere, meine Zuneigung aufgebe; etwas, das mir zeigt, dass es sich eigentlich um eine andere Person handelt. Wie bei Katzen: Wer sie unsanft anlangt, der wird gekrallt und angefaucht. Oder sie verzieht sich einfach. Ja, bei näherer Betrachtung wohl die häufigere Variante.

März 1992. So viel an all dem war grandios. Die Premiere hatte an meinem Geburtstag stattgefunden. Danach war ich Tag um Tag wieder in den Saal eingetanzt, zwei Stunden lang in den Traum eingetaucht, unberührt von Fenstern, die von oben bis unten von Atemfeuchtigkeit von 200 Menschen angelaufen waren. Schon das ganze Semester davor war fantastisch gewesen. Schulalltag? Pah! Ein paar lästige Aufsätze - how ironic -, aber sonst? Bio ging nicht ohne Lernen (Jahre später dann mein Unverständnis: Wie konnte man nur Bio als Abschlussfach wählen? Der Lernquotient im Vergleich mit meiner Wahl Mathe war ja, ich weiß nicht, sechsstellig). Geschichte brachte mich an meine Grenzen - man kann sich nur eine sehr begrenzte Anzahl von Daten aus den Fingern saugen. Aber der Rest wurde als Alltag genossen, damit dann der Nachmittag im Musiksaal erlebt werden durfte.

Das Programmheftsignieren - welch schöne Tradition! Während ich schon high vom Make-up-Duft und von Räucherstäbchen war, lief ich wie die anderen herum, um hier und dort und da Sprüche für mein Heft zu sammeln. "...total aufgeblüht...", "...offenes Ohr...", "...Schminkversuchskaninchen...", "...tolle Frisur..." Äh, ja, ähem. Ohne tägliches Toupieren und ohne Sprayorgien wär's mir schon lieber gewesen, äh.

Einsingen: Su-sa-ha-ha-naaaa. Co-ri-hi-hi-naaaa. Blumen blühen blau, Blumen blühen blau, und noch einmal nach unten... Auf meinen Schwarm übte ich am Höhepunkt seiner Nervosität mit meiner Unverrückbarkeit eine sedative Wirkung aus - wahrscheinlich war's auch das Gefühl, dass die Anzahl seiner Fans zumindest intern größer gleich eins war. Na ja, obwohl, jede Sorge war da unbegründet. Er wirkte auf mich hingegen höchst pulsfördernd, wie er da immer mit Denimgilet auf nacktem Oberkörper rumstand. Ach, damals war mir das noch nicht klar, dass so jemand eine absolute Seltenheit war, der so toll und so unmacho war. Heute denke ich, unmacho ist rar, denn unter der unvermutetsten Oberfläche kann eine Machobahn sein.

Wo war ich? Ach ja, die Dernierenfeier. Ich hatte, schön traditionell, meine Nase über dem Waschbecken ausbluten lassen. ("Wo ist Ronja?" - "Nasenbluten.") Make-up-Ränder zierten mein Gesicht, die Haare klebten noch vom Spray, und es ging auf ins Getümmel. Herrlich. In einem Klassenzimmer wurde gesungen - unser selbst noch nicht lange aus der Pubertät herausgekommene Regisseur sang ein Liebeslied für seine Gitarre - wenn ich so zurückdenke, kann ich nicht sagen, ob er beschwipst war oder nicht, denn er war immer so überschwenglich. "Morgn, jo, morgn, faung i a neichs Lebn an, und waun ned morgn, dann übermorgn, oba gaunz sicher irgendwaun..." Und ich? Fühlte mich zu Hause.

Eine aufgegangene Blume kann wieder für ein Weilchen zugehen, wenn Sonne und Dünger fehlen, aber sie weiß unter Umständen, wie sie wieder blühen kann. Wanderpflanze (weg aus dem Dauerregen!). Richtige Nachbarschaft (Giftpflanzen sind es nicht!). Warme Lichtanteile.

Theoreme, Hypothesen und der ganze Rest

Haha! Hahaha! The Grasshopper Experiment. Hahahahaha!
Und außer der Tatsache, dass es unglaublich komisch ist: Die sind auch unglaublich attraktiv. Hollywood miracle? Nerdy in an attractive way? Attractive in a nerdy way? Or just me?

Jim Parsons ist spindeldürr und soooo nett. Und außerdem von einer berückenden mimischen Ähnlichkeit mit, na ja, egal. Die Anziehungskraft dieses Menschen glaubte ich ja schon seit Jahren hinter mir. Die haarscharf gleiche Art, seinen Mund beim Sprechen zu bewegen, ist aber schon ein wenig unheimlich.

Und dann noch Kunal Nayyar alias Raj, wo ich doch sowieso eine Schwäche für indische Männer habe! Hehe!

Aber ich schau ja, weil's so unglaublich lustig ist!

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Glut

Wie ich jetzt lerne, steckt ziemlich viel Potential in meinem Bauch. Was im Leben eines Menschen, einer Frau, führt nur dazu, dass sie ihrem Bauch misstraut, ihn negiert, ohne ihn zu leben, sich von ihm zu trennen versucht? Das Feuer brennt noch immer, es kann auch Jahre überdauern.

Meine Sensibilität hat auch ihre guten Seiten. Ach, wie ich das schon sage! Natürlich hat sie die! Leider habe ich lange nur die negativen gesehen. Eine der positiven ist die Tatsache, dass ich Momentaufnahmen in meinem Gefühlsgedächtnis gemacht habe - von Augenblicken, die nicht einordenbar schienen, aber doch irgendwie bedeutsam. Nun kann ich fast mit Sicherheit sagen, dass ich Recht hatte, diese Momente als besonders zu empfinden, auch wenn ich noch immer nicht weiß und in manchen Fällen niemals wissen werde, was dahintersteckt.

Damals, als Micheles Blick wie ein brennendes Streichholz war, das er direkt an meinen Bauch gehalten hatte, da hatte ich mir ja auch wegzudenken versucht, dass er es angezündet hatte. Dachte, nee nee, ich fantasiere. Dem war nicht so, wie sich ein paar Monate später herausstellte. Natürlich war er damals schon in mich verknallt gewesen, und er hatte in meinem Blick gelesen, dass ich ihn auch sehr mochte. Aha. Aha? Da war einer schneller als ich. Aber Recht hatte er ja eine Zeit lang.

Die anderen Fälle sind noch unergründeter Natur, aber das Außergewöhnliche hatte ich wahrgenommen und sicher nicht in den grauen Zellen entwickelt.

Unterhaltsames Herumstehen im Foyer der ehemaligen Schule. Seit alle Seelen weg sind, ist sie wirklich nur noch wie eine traurige Hülle. Klar, man erinnert sich, eine Hochzeit für die Nostalgie. Aber lebendig ist etwas anderes. Sam und ich unterhalten uns mit meinem alten Deutsch- und Englischlehrer, Herrn König. Schon seit geraumer Zeit ist es mir unerklärlich, dass ich mit 13 in den verliebt war. Nur, weil er so jung war? Wir besprechen die eben gesehene Theateraufführung, reminiszieren über unsere eigenen Bühnenjahre. Sam, die damals mir ihrer Rolle Kultverdacht erregt hatte. Ich, die ich noch immer mit schönen Herzschmerzen an meine Zeit im Ensemble denke. Herr König, der so gar nichts mehr von seinem damaligen Glanz als Teil des Teams hat.

Nun sind wir alle erwachsen, und wie es sich herausstellt, haben wir uns auseinanderentwickelt. Sam, die Brave, liebt die richtige Ecke des anglophonen Raums. Ich hingegen ernte mit meiner Begeisterung, die in meinen Augen aufleuchtet, sobald ich von meinem Jahr in den USA erzähle, nur mildes Unverständnis. Da drüben hätten sie doch keinen Geschmack. Da sei alles nur McDonald's. England sei das Wahre. Es ist etwas Seltsames in Herrn Königs Blick. Ist es Enttäuschung, dass sich seine ehemalige 110%-Schülerin, der er sogar ein Ständchen für die 1+ gesungen hat, in etwas anderes verwandelt hat? Der Blick bleibt, mein Bedürfnis, mich mit alten Lehrern in Kontakt zu setzen, hat seinen Grenzwert null beinahe erreicht.

Rollen wir den Film etwas nach vor. Wise Guys im Konzert. Seit ich sie entdeckt habe, bin ich von Dän immer ein bisschen mehr umgehauen als von den anderen. Natürlich ist nichts so wichtig wie ihre Musik und ihre Bühnenpräsenz, aber ganz ausblenden kann man deren Attraktivität ja auch nicht. Was bei den Fünfen so schön ist, ist dass sie alle so attraktiv sind, weil ich zu spüren glaube, dass die Begeisterung, die sie für ihre Arbeit und Kunst haben, in ihren Augen zu sehen ist.

Doch Dän ist noch ein bisschen mehr. Der fährt in den Bauch ein. Wenn alle Single wären und ich der Reihe nach mit allen flirten könnte - was für ein eigenartiges Gedankenexperiment! -, wären die anderen vier (von der alten Besetzung) toll; er wäre atemberaubend. Nun denn. Afterglow. Ich spreche nicht einmal selbst mit Dän; ich bin irgendwie Teil dessen, was der Freund neben mir ihn fragt. Er wechselt höflich zwischen uns hin und her, ich bin stumme Gesprächsteilnehmerin. Das Umwerfende ist schon davor passiert. Wir stehen so rum, und Dän kommt in unsere Nähe, weil er da jemandem ein Autogramm gibt. Ich schaue bloß hin, wie es halt meine Art ist, denke, wow, der ist ja noch größer, als ich gedacht hatte. Er sieht von seinem Foto auf, und da ist ein Blick, der direkt in meine Knochen geht. Er ist nicht minutenlang, ich weiß auch nicht, was er heißt, aber er ist eindeutig anders. Irgendetwas Besonderes sehend. Identifiziert. Nicht zu leugnen.

Zeitsprung. Ein Café. Ein Freund und ich auf der Eckbank. Wir unterhalten uns. Aber meine Hauptbeschäftigung ist, mich wohlzufühlen. Ich wärme meine Finger an der Tasse, betrachte in der Gesprächspause mein Getränk und sehe aus den Augenwinkeln, wie er seinen Schaum löffelt. So selbstvergessen, so sich in mein Herz bohrend. Wir reden über dies und das, und da ist plötzlich dieser Blick. Dieser um eine Sekunde zu lange bleibende Blick, der mich erhitzt. Ich weiß nicht, was er heißt, aber ich weiß, was ich mir wünsche, dass er heißt. Da ist er auch schon wieder weg, der Blick, und wiederholt sich nicht. Wie dicht ist meine Fassade?

Wiederum zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort. Gesellschaftliches Großereignis. Na ja. Viele Menschen halt auf einem Haufen. Georg, der Freund eines Freundes ist heute zum ersten Mal in meinem Leben. Sympathisch. Sehr quicklebendig, macht die Unterhaltung leicht. Wir drei stehen gesellig herum, unterhalten uns. Georg macht mir das Kompliment meines Lebens. Aber weil ich ohnehin so gut gelaunt bin, weil ich an diesem Ort bin, erkenne ich es erst mit großer Verzögerung und klopf mir innerlich auf die Stirn aufgrund akuter Blödheit. Er ist jedoch nicht gebremst, stellt Fragen, die irgendwann auch mich erkennen lassen, dass er eventuell Gefallen an mir findet. Ich finde ihn interessant, gravitiere trotzdem zu dem Nurfreund, mit dem ich hier bin.

Am Ende des Abends wünsche ich mir beinahe, dass er mich wiedersehen will. Georg und Nurfreund und ich stehen auf dem Kopfsteinpflaster vor der Halle und verabschieden uns. Nurfreund und ich unterhalten uns noch ein wenig über zukünftige Treffen, tauschen ein paar Dinge aus. Dann umarmen wir uns zum Abschied. Ich wende mich Georg zu, der auf einmal uncharakteristisch still, steif und ernst ist. Er reicht mir die Hand, und da ist der Blick. Er wandert direkt in die Datei "undefinierbar, aber definitiv ungewöhnlich". Ich frage mich, was zwischen drinnen und draußen vorgegangen ist. War es ein Blick des eingeschüchtert Seins? War es ein Blick der Erkenntnis, dass das Band von mir zu Nurfreund stärker war, als ihm lieb gewesen wäre?

Seltsam, was sich so ansammelt. Nicht immer muss alles geklärt werden. Manchmal reicht das Geheimnis. Manchmal darf auch der Luftzug kommen, der die Funken weiterträgt.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Die Tassen im Schrank

In wie vielen Küchenkästen befindet sich ein Stückchen persönliche Geschichte? Weniger interessant dabei ist, welche Mehl-, Zucker- oder Nudelmarke man bevorzugt. Das, wofür es sich genauer hinzuschauen lohnt, ist die Tassensammlung. Ach, klar, nicht jeder misst seinen Tassen gleich viel Bedeutung bei, aber ein paar Lebensstationen kann man vielleicht ersehen.

Der hässlichste Marker meiner Häferlgeschichte steht unter der Spüle, schön versteckt und zweckentfremdet als Halterung für die Müllsackrolle. Dieses an heiße Schokolade mit viel zu viel Sahne erinnernde Ungetüm mag mich zwar auch an einen wichtigen geographischen und innerlichen Schritt zum jetzigen Ort meines Lebens denken lassen, aber es schmerzt zu sehr in den Augen. Würde ich das Ding mit der zuckerlrosa Aufschrift und dem weichzeichnend zerfließenden Bildchen meiner Stadt in Augenhöhe aufbewahren, es wäre, als würde ich "Die berühmten drei Worte" von Andy Borg ehren, bloß weil dieses akustische Brechmittel immer erklang, wenn ich mit meiner Mutter ins Kaufhaus ging. Unnötig zu erwähnen: Erworben hab ich das Ding nicht selbst.

Es gibt natürlich noch mehr ästhetisch nicht ganz einwandfreie Dinger in meinem Kasten, auch solche, deren Geschichte sie eigentlich auf den Flohmarkt hätte befördern sollen, solche, die mich noch immer ein kleines bisschen am Herzen ziehen, wenn ich sie verwende, und solche, die langsam von selbst eins mit ihrer Geschichte werden.

Meine Lieblingsjumbotasse - ein Viertelliter zahlt sich doch echt nicht aus! - hat schon mehr Blessuren, als ich an einer Hand abzählen kann, und die sind nicht meiner ungestümen Art zu spülen zuzuschreiben, sondern der schlechten Qualität. Oder ist es normal, dass hier ein bisschen, dort ein bisschen Glasur abspritzt, sobald man die Tasse auf dem Tisch absetzt? War wohl nicht umsonst relativ günstig, mein Erinnerungsstück, damals auf der Freyung, als ich mit meiner Freundin in der Frühlingssonne spazierte und im Magen diesen Kloß hatte, weil er mit seiner Freundin spazierte. Doch nur, weil sie schon angeknackst ist, kommt sie nicht in den Müll. Wo kämen wir denn da hin? (Man sieht, ich bin schon heimisch hier.)

Eine Tasse erwog ich schon des Öfteren wegzugeben. Meine Pro-und-Kontra-Liste, wenn ich denn eine hätte, wäre jedoch ausgewogen, und so beließ ich die Entscheidung bisher bei Unentschlossenheit. Das Sonnengelb passt ja auch so herrlich zum milchigen Kaffee. Auch zum schwarzen, den ich nun bevorzuge. Und bis auf das Knacken des Henkels, das einen befürchten lässt, dass man einmal mit ihm in der Hand und ohne Tasse dasitzen könnte, ist sie ja schwer in Ordnung. Sie ist halt bloß von meiner ehemals besten Freundin. Wir haben uns in aller Stille getrennt, und genauso still und mausetot ist die Kommunikation seither. Man sagt ja, die Menschen ändern sich, man entwickelt sich auseinander. Ich bin noch immer nicht sicher, ob ich das (Nicht-)Geheimnis unseres Freundschaftstodes durchschaut habe und ob auch bei ihr eine Narbe da ist. "Friends" steht in schönen Lettern drauf. Auch das noch. Klar, damals waren wir es ja, und dass sie eine extrem teure Tasse der Fernsehserie erstanden hatte, rührte mich damals sehr. Im Grunde kann ich nichts anderes tun, als sie zu behalten, beide. Wenn ich das Häferl weiterschenkte, könnte ich es nur an eine(n) Freund(in) tun, und dass diese Person dann ein Second-Hand-Geschenk inklusive Geschichte bekäme, erschiene mir unfair.

Bono hingegen bleibt. Definitiv. Bono ziert in x-facher Ausführung die Tasse, die mein Herz hebt, weil ich ihn so gerne anschaue. Bono, der besser Bärchi heißen sollte, wie ich finde, ist das Süßeste, was es an Gezeichnetem gibt. Noch vor Grisu! Ach, Bono! So wenige Striche können ein Herz so hoch schlagen lassen! Bono kommt von meiner Freundin, und ich erinnere mich sogar noch an das Café, in dem wir uns damals zum Geburtstagsnachfeiern getroffen haben. Oder doch nicht? Eines von unseren vielen Lieblingscafés entlang der Straßenbahn.

Ein schnörkelloses Trinkgefäß mit der Aufschrift "Hardrock Café", das sicher billig in der Produktion gewesen war, erinnert mich an den ersten Urlaub in den USA. Es war das Ende der Reise, es war New York. In unserem Hotel war ein Stadtführerheftchen mit viel Werbung gelegen, darin auch ein Gutschein für eine Hardrock-Café-Tasse. Ob wir Grünschnäbel jemals hinfinden würden? Es gab Leute, die unbedingt jedes Hardrock Café entlang des Wegs mitnehmen wollten, und diese Kräfte trieben uns schließlich hin. Ich konsumierte nicht mal etwas und fühlte mich sogar ein bisschen schlecht, dass ich trotzdem die Tasse bekam. Leider steht weder "the City" noch "NYC" oder dergleichen drauf.

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