I got life, brother

Exakt vor 18 Jahren fand die Dernière meines ersten Musicals statt. Ist es seltsam, dass sich Daten so in mich einprägen? Ich weiß ja sogar noch immer das Autokennzeichen von ist-ja-jetzt-egal, obwohl es mit heutigem Wissen sein kann, dass B und K mich auch da nur veräppelt hatten. K: "Du, rate mal, wen wir im Bus gesehen haben!" Ich: "??" B: "Ihn!!!" Ich war ja so seltsam drauf, dass ich sogar davon erglühte. Jahre später die Information, casually dropped: "Du, das war nur erfunden. Du warst so süß drauf, man konnte dich so toll auf den Arm nehmen." Schön, wenn ich's auch gewusst hätte, und wenn ich gewusst hätte, wie meine besten Freundinnen drauf gewesen waren. Ja, heute ist mir auch klar, dass meine Anhimmelaktion schon beinahe an Selbstaufgabe grenzte. Aber ich bin halt eine Elefantin (sic!), und als solche hab ich es noch immer registriert, was sie getan hatten. Das war vielleicht meinem Ansinnen, endlich Mitgliedschaft in der Sekte der wir-schonen-uns-nicht-Jünger aufgenommen zu werden, abträglich. Macht nichts, jede Gruppe braucht eine, die irgendwie moralisch ein bisschen weniger antastbar ist, auch wenn sie's nicht weiß und nicht immer will.

Wo war ich? Ganz oder gar nicht. Solche seltsamen Aktionen haben mich vielleicht vorsichtiger gemacht, aber im Grunde gilt, was immer galt: Wer mich hat, der hat mich. Da muss schon etwas Erschütterndes passieren, dass ich meine Meinung ändere, meine Zuneigung aufgebe; etwas, das mir zeigt, dass es sich eigentlich um eine andere Person handelt. Wie bei Katzen: Wer sie unsanft anlangt, der wird gekrallt und angefaucht. Oder sie verzieht sich einfach. Ja, bei näherer Betrachtung wohl die häufigere Variante.

März 1992. So viel an all dem war grandios. Die Premiere hatte an meinem Geburtstag stattgefunden. Danach war ich Tag um Tag wieder in den Saal eingetanzt, zwei Stunden lang in den Traum eingetaucht, unberührt von Fenstern, die von oben bis unten von Atemfeuchtigkeit von 200 Menschen angelaufen waren. Schon das ganze Semester davor war fantastisch gewesen. Schulalltag? Pah! Ein paar lästige Aufsätze - how ironic -, aber sonst? Bio ging nicht ohne Lernen (Jahre später dann mein Unverständnis: Wie konnte man nur Bio als Abschlussfach wählen? Der Lernquotient im Vergleich mit meiner Wahl Mathe war ja, ich weiß nicht, sechsstellig). Geschichte brachte mich an meine Grenzen - man kann sich nur eine sehr begrenzte Anzahl von Daten aus den Fingern saugen. Aber der Rest wurde als Alltag genossen, damit dann der Nachmittag im Musiksaal erlebt werden durfte.

Das Programmheftsignieren - welch schöne Tradition! Während ich schon high vom Make-up-Duft und von Räucherstäbchen war, lief ich wie die anderen herum, um hier und dort und da Sprüche für mein Heft zu sammeln. "...total aufgeblüht...", "...offenes Ohr...", "...Schminkversuchskaninchen...", "...tolle Frisur..." Äh, ja, ähem. Ohne tägliches Toupieren und ohne Sprayorgien wär's mir schon lieber gewesen, äh.

Einsingen: Su-sa-ha-ha-naaaa. Co-ri-hi-hi-naaaa. Blumen blühen blau, Blumen blühen blau, und noch einmal nach unten... Auf meinen Schwarm übte ich am Höhepunkt seiner Nervosität mit meiner Unverrückbarkeit eine sedative Wirkung aus - wahrscheinlich war's auch das Gefühl, dass die Anzahl seiner Fans zumindest intern größer gleich eins war. Na ja, obwohl, jede Sorge war da unbegründet. Er wirkte auf mich hingegen höchst pulsfördernd, wie er da immer mit Denimgilet auf nacktem Oberkörper rumstand. Ach, damals war mir das noch nicht klar, dass so jemand eine absolute Seltenheit war, der so toll und so unmacho war. Heute denke ich, unmacho ist rar, denn unter der unvermutetsten Oberfläche kann eine Machobahn sein.

Wo war ich? Ach ja, die Dernierenfeier. Ich hatte, schön traditionell, meine Nase über dem Waschbecken ausbluten lassen. ("Wo ist Ronja?" - "Nasenbluten.") Make-up-Ränder zierten mein Gesicht, die Haare klebten noch vom Spray, und es ging auf ins Getümmel. Herrlich. In einem Klassenzimmer wurde gesungen - unser selbst noch nicht lange aus der Pubertät herausgekommene Regisseur sang ein Liebeslied für seine Gitarre - wenn ich so zurückdenke, kann ich nicht sagen, ob er beschwipst war oder nicht, denn er war immer so überschwenglich. "Morgn, jo, morgn, faung i a neichs Lebn an, und waun ned morgn, dann übermorgn, oba gaunz sicher irgendwaun..." Und ich? Fühlte mich zu Hause.

Eine aufgegangene Blume kann wieder für ein Weilchen zugehen, wenn Sonne und Dünger fehlen, aber sie weiß unter Umständen, wie sie wieder blühen kann. Wanderpflanze (weg aus dem Dauerregen!). Richtige Nachbarschaft (Giftpflanzen sind es nicht!). Warme Lichtanteile.

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