Montag, 24. September 2012

Catch a Falling Star

Zum ersten Mal in meinem Leben sage ich Danke zu zwei Betrunkenen. Gut, vielleicht waren sie schon ein bisschen ausgenüchtert und nur noch stark Beschwipste. Ammer! (="aber immerhin" für Schnelldenker-und-dabei-alles-Verquirkser) Und ich meine das Danke nicht sarkastisch.

Der noch nie dagewesene Fall ist eingetreten, dass ich in einem Zug voller Wiesn-Patienten nach Hause fahren musste und dass es kein Höllentrip war. Ich nahm den ersten freien Platz - man muss sich gut aussuchen, wann man heikel sein kann -, und prompt kam ein junger Mann, der sich beschwerte, ich säße auf seinem Platz. Oktoberfestophobe, die ich bin, und immer auf der Hut vor schmierigen Anmachen und schleimigen Typen, habe ich sämtliche meiner Sensoren anspringen gefühlt. Aber aus irgendeinem Grund reagierte ich scherzend: "Tut mir leid. War da ein Namensschild dran?" Und nach ein paar Sätzen begriff ich, dass der da kein enthemmter Fiesling war. Nüchtern war er nicht, was mich wahrscheinlich dazu verleitete, ihn nicht ganz ernst zu nehmen. Mit der Zeit jedoch merkte ich, dass er nicht so weggetreten war, wie ich es sonst von Leuten unter Alkoholeinfluss annehme. Aus meinem defensiven Anfang wurde ein, nun ja, doch irgendwie ein Gespräch. Kein ernstes natürlich. Aber ich hab sie nicht als Alkostereotypen abgetan, und sie haben mich nett behandelt. (Dabei spielte es nur eine kleine Rolle, dass der eine meinte, ich wäre wohl so in etwa 23. Kam ja auch erst spät.)

Ich kann den Eindruck nicht abschütteln, dass mein letztes Buch etwas damit zu tun hat, wie ich mich heute Abend gefühlt, empfunden, erlebt habe. (Erst im Kreis meiner Mitsänger, dann auf der Heimfahrt.) Es hat so viel hochgebracht. Und wenn es auch um die Zeit an einem Internat an der Ostküste, also um die Highschool ging, so hat mich doch so vieles daran an meine College-Zeit in den USA erinnert. Könnte an den Erfahrungen mit Studentenheim und Mensa zu tun haben. Die Art und Weise, wie der Roman meine Erinnerungen für eine gewisse Zeit zur Gegenwart gemacht hat, hat wenig mit bewusstem Erinnern zu tun. Es ist fast so, als ob das Leben in dieser Stadt, an dieser Uni, auf diesem Campus und mit diesen Leuten wieder meine Welt wäre, in der und durch die ich mich bewege, meine Gegenwart, mein Wahrnehmungsfilter. Damit verbunden ist auch das Ich, das ich war, neben und in meinem gegenwärtigen Ich vorhanden. Nachdem ich mich in vielem so sehr wiedergefunden habe, was die Heldin erlebt und denkt, hab ich mich ein bisschen selbst noch einmal erlebt. Und interessanterweise scheint das einen kleinen Therapieeffekt gehabt zu haben. Denn am Abend hatte ich plötzlich das Gefühl, dass etwas anders war. Etwas war weg: Die Unsicherheit.

Was Curtis Sittenfeld zu vollbringen mag, versetzt mich in erfürchtiges Staunen. Prep. Ich kann es kaum erwarten, bis American Wife in meinem Postfach liegt. So will ich auch einmal schreiben können.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Heartthrob County
Es gab einmal eine Zeit, da dachte ich, der atemberaubendste...
ronjavondermattisburg - 24. Jan, 00:44
Shush?
Es ist wohl eine zutiefst menschliche Eigenschaft,...
ronjavondermattisburg - 11. Okt, 03:58
Misconception
Vielleicht ist der tiefste aller zugrundeliegenden...
ronjavondermattisburg - 10. Mär, 21:50
Good Wife
Am Ende des Gesprächs steht die Erkenntnis: Ich bin...
ronjavondermattisburg - 7. Dez, 23:18
Origin of love
Manchmal vermisse ich das Schreiben wie wahnsinnig....
ronjavondermattisburg - 20. Aug, 01:42

Links

Suche

 

Status

Online seit 5359 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Jan, 00:44

Credits


Räubergeschichten (aus dem Mattiswald)
Steine
Welcher Film läuft heute in der Burg
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren