Zum Glück

So mag ich mein Leben nicht weiterleben. Das Einzige, was ich noch bin, ist Mutter. Zwar eine sehr erfüllende Aufgabe, aber es gibt trotzdem mehr, was ich machen und was ich sein möchte. Außerdem bin ich sehr alleine gelassen mit den Alltagsdingen. Da kommt der Vater der Kleinen oft mal nur so zum Türrahmen rein - Türen selbst gibt's ja noch keine - und sagt Hallo aus der Ferne. Nimmt sich nicht mal die Zeit, unserer Tochter ein Bussi zu geben und sie richtig wahrzunehmen, sodass auch sie ihn wahrnehmen kann.

Apropos Wahrnehmen, ich werde ja auch nicht mehr so richtig als Frau wahrgenommen. Ach, was sag ich, als Person. Es wird gefragt: "Wie geht's dem Baby?", und das ist schon genügend Info, um auf mein Befinden rückschließen zu können, scheint's. Oder er will es ohnehin nicht wissen. Wer weiß.

Ich finde ja, wenn's um Hausarbeit geht, sollte nicht gerechnet werden, wer schon wieviel sonstwo getan und gerackert hat, sondern umgekehrt, wer wieviel Freizeit hat. Nachdem ich seit Monaten mein Schlafdefizit weiter aufbaue, mein Mann noch keine einzige Nacht wach verbracht hat und ich jeden verflixten Tag immer nur sehe, wie ich nichts auf dieser Baustelle weiterkriege, bin ich dafür, dass er auch mal eine Tasse abwäscht oder sein Bett macht. Aber nachdem er ja so schwer auf der Baustelle arbeitet, muss er sich viel mehr ausruhen und ich. Und das Arbeitsseminar war schließlich auch sehr anstrengend. Das abendliche Gemeinschaftssaufen bis fünf Uhr morgens anscheinend nicht. "Irgendwie komm ich heut nicht in die Gänge..." Da muss ich es ihm doch nachsehen, dass er stundenlang weiterschlummert, während ich mit unserem putzmunteren Mädchen um halb sieben aus dem Bett muss. Oder?

Es zehrt auch außerordentlich an mir - wie ich neulich erkannte und seither in Worte fassen kann -, dass unser Haus noch keine Seele hat. Es ist halt eine Baustelle. Dreck. Unverputzter Ziegel innen. Gähnend nackte Türrahmen. Eiseskälte, weil das Obergeschoß wegen Unbewohnbarkeit ja noch unbeheizt ist und sich die Wärme nun nach oben verzieht.

Wo kann denn meine Seele wohnen, wenn ich noch kein Zuhause habe? Ich bin so oft bei meinen Schwiegereltern, denn obwohl ich mich bei deren zugestellten und angeräumten Zimmern unwohl fühle, fühle ich mich mehr aufgehoben und zuhause als bei mir selbst zuhause.

Wenn ich nun schon mal beim Loslassen dessen bin, das mich beschäftigt: Auch wenn es nichts böse Gemeintes war, auch wenn vieles unglücklicher Zufall war - die Tatsache tut noch immer ein bisschen weh, dass meine Einladung zum Spieleabend verschmäht wurde und Letzterer bei Freunden zuhause stattfand, weil er unter der Woche beruflich unterwegs war. Macht ja nichts. Ich kann ja später mal wieder ein Leben außerhalb meines Mutterdaseins leben. Muss ja nicht zum Spielen fortgehen. Reicht ja, wenn mein Mann uns vertritt. So haben wir beide nächsten Tag etwas davon, denn er ist müde, und ich darf mich alleine um alles kümmern.

Tja, und woher eigentlich all das Unglück? Ich hätte wohl noch länger so weiter gelebt, Schokolade gegen die Leere gegessen - mich dann über die Übelkeit geärgert -, wenn ich nicht die Glücksshow mit Hirschhausen gesehen hätte. Beitrag um Beitrag ging dahin, und der Schmerz in meiner Brust wuchs immer weiter. Ein anderes Wort als Schmerz erscheint mir hier tatsächlich nicht passend. Zwischen Schlüsselbein und Bauch, heftig ziehend. Wake-up-call. Bin ich tatsächlich so unglücklich?

Raus kann ich aber nicht, will ich wahrscheinlich auch nicht. Und im Konflikt mit meinem Mann habe ich keine Stimme, kein Recht, weil er ja alles, alles, alles bezahlt - wenn's nach seiner Sicht geht -, und was anderes zählt nicht.

Noch ein halbes Jahr so leben kann ich aber auch nicht.
iGing - 24. Nov, 17:34

Ach, das geht einem ja durch und durch, was Sie da so schreiben! Woher kann denn die Hilfe kommen, die Sie so dringend brauchen? Ich will hier nicht mit Vorschlägen aufwarten ... denn ich bin überzeugt, dass Sie ganz von selbst auf Möglichkeiten kommen können und sollten. Alles Gute dabei!

ronjavondermattisburg - 25. Nov, 11:25

Danke! Es gibt bessere Tage, so wie heute, wenn die Sonne durch die Kälte scheint. Dann scheinen auch Lösungen irgendwie greifbarer.

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