Von der Unvernunft, die innere Stimme zu überhören

Da stand ich gestern auf der kleinen Anhöhe, vor der Kapelle, und fühlte: Wunderbar! Sonne! Meine kleine Winterwanderung! Ich machte mich auf den weiteren Weg zu meinem Termin und freute mich. War von etwas Gutem erfüllt.

Der Ort, an dem ich ankam, war von Ruhe und positiver Energie geprägt. Stille! Diese Stille, die im ersten Moment direkt weh tut, weil sie den restlichen Lärm noch aus den Ohren zieht. Spannungsfreiheit. Schön! So sauber und warm und gut duftend!

Der Termin war wie immer mehr als eine bloße Haarbehandlung. Viel mehr. Man tritt als ganzes Wesen in einen anderen Raum, wo man sanft berührt wird und sich all die Schichten in einem wieder synchronisieren.

Seit Monaten hatte ich daran gedacht, was sie dazu sagen würde. Sie hat eine Gabe, das Essentielle zu erfassen, auszusprechen, zu erfragen. Fast zwei Jahre ist es her, da fragte sie: "Wie heißt er denn?" Auf meine Antwort hin sagte sie: "Ah ja, da spüre ich etwas. Das ist gut." Und sie sagte noch etwas, an das ich mich lange klammerte. Und das - vieles ist Auslegungssache - heute noch gilt. Aber eben auch nicht.

Als ich dort saß, überlegte ich, ob ich sie nun fragen sollte. Es fühle sich nicht richtig an. Als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, fragte sie mich. Diese Frau darf mich derart emotional intime Dinge fragen, das ist objektiv seltsam. Subjektiv sehr stimmig. Und sie sagte: erstmal nichts. Ich dachte: Ja, genau, denke ich auch. Denke ich seit langer Zeit. Seit immer. Dann sagte sie etwas. Und dann fragte sie: "Wie haben Sie sich denn kennengelernt?" Ich: "Über einen gemeinsamen Freund." Sie: "Ah ja. Anders wären Sie sich nie begegnet."

Ein paar Denkanstöße reicher verließ ich sie. Und konnte mir doch nicht helfen: Etwas, eine kleine Winzigkeit fehlte. War es, dass sie doch nicht alles, was für eine entfernte Vergangenheit steht, wegnahm? Oder war da etwas, das mich störte? Etwa die mir happig erscheinde Preiserhöhung von 15 Prozent?

Trotzdem konnte ich auf vieles an ihm, das mich sonst sofort zur Gereiztheit trieb, locker reagieren, obwohl wir unsere Auseinandersetzung noch immer nicht fertig besprochen hatten. Später redeten wir. Seltsam, dass meine Stimme so oft bricht, wenn ich mit ihm spreche. Wir sprachen wie Erwachsene. Einmal waren nicht nur Vorwürfe im Raum. Ich konnte sogar ein kleines bisschen meine Kämpferin aufgeben und seine Sicht verstehen. Als wir uns ausgesprochen hatten, überfiel mich eine tiefe Traurigkeit: Das, was ich will, existiert nicht. Letztlich jedoch: Ich kann mich trotzdem wohlfühlen. Und doch musste ich in ein paar besonderen Minuten wieder ein Bild verscheuchen. Warum ist es so aufdringlich, so immer wieder da?

Und dann erlebte ich heute mal wieder, dass die Steigung oft mehr aussagt als die absolute Höhe. Beziehungsweise das Gefälle. Von freier Freude über Sonnenschein, Zeit nur für mich und zur freien Verfügung und über körperliches Wohlbefinden fiel ich in eine Existenzangst, die ich seit ein paar Monaten nicht mehr gekannt hatte. Beruhigungskekse. Dringend. Noch immer so viel falsche Muster. Statt eines Keks ein warmer Gedanke. Na ja, wird schon, irgendwann.

Und nun sitze ich da, habe den seit Tagen dringenden Text noch immer nicht geschafft, fühle mich seltsam und fürchte, von der Zeit überrannt zu werden. Vielleicht muss ich mich einfach darauf einlassen, was andere als gut für mich empfinden.

Hey, slow it down. Whataya want from me. Whataya want from me. Yeah, I'm afraid, whataya want from me, whataya want from me. Just don't give up. Please don't give in. I won't let you down. It messed me up.

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