Christmas rant

19.12.: Ich beginne mit dem Kofferpacken und überprüfe mein Flugticket. Nur noch zwei Tage.
20.12.: Koffer fertig packen. Ich checke meine E-Mails. Letzte Kommunikation wegen Flughafen-Abholdienst. An sich war es ja schon ausgemacht, er hat meine Flugzeiten. Trotzdem ist kein Mail seit einer Woche, hmm, seltsam. Ich sehe es in meiner Euphorie nicht. Meine Mutter schon.
21.12.: Flug, Flug, nochmals Flug. Endlich gehe ich den grauen Schlauch aus dem Flugzeug hinaus und freue mich, sein Gesicht wiederzusehen. Es ist ernst.
21.12., später: Wir sitzen auf seiner Couch, er auf dem einen, ich auf dem anderen Arm. Er sieht gut aus. Er druckst herum. "You remember my friend Lisa? The one I told you about? The one who said she was in love with me, but I told her I just wanted to be friends? Well, erh, turns out I have fallen in love with her."
21.12., noch später: Well, thank you, asshole, I just travelled 5000 miles so you could tell me to my face?
24.12. Wir fahren Weihnachtsdekorationen besichtigen. Ich habe noch nie zuvor solche Abneigung gegen den Plastikkitsch in den Schornsteinen und einfach überall empfunden. Sie gehen nach der Kirche noch zu McDonald's (oder ein Imitat davon) zum Zusammenhocken. Lisa ist Lisa. Lisa steht schon mit einem Foto in seinem Wohnzimmer. Und ich bin immer noch da, weil mein Flugticket zurück erst in zwei Wochen geht.
25.12. Weihnachten bei seiner Familie. Selbst wenn ich mit ihm noch zusammen wäre, wäre mir seine Familie kreuzunsympathisch. Der Hund ist der Schlimmste. Ein schleimiger Gummiball mit der Muskelkraft von drei Bodybuildern. Auspacken geht der Reihe nach. Seine Schwestern oohen und aahen, weil sie offenbar noch gar nicht wissen, dass er mich gerade abserviert hat. Oder ist der Umstand, dass er wegen eines halben Jahres schon vor mir auspacken darf, auch bei Exfreunden ein Anlass für anzügliches Grinsen? Oooh, she's so much his senior! Go figure!
26.12. Noch immer wächst meine Freude an Videokassetten und an seinem Computer, und ich träume noch nachts von den Einwahlgeräuschen seines Modems. Wenn ich nicht wachliege, weil er so laut schnarcht, dass ich es durch drei Wände quer durch die Wohnung höre.


7.1.: Einen Freund ärmer, zwei Bekannte reicher, Kleidung, die an mir schlottert, Schneesturm vorm Abflug, Schneesturm beim Umsteigen, das dann wegen Schneesturms ausfällt. 500 Menschen an den Schaltern der Fluglinie. Alle wollen eine Unterkunft, weil der nächste Flug, in den man, wenn man Glück hat, hineinkommt, erst am nächsten Tag stattfindet. Die Fluglinie sagt ällerbätsch, zahl dir dein Hotel doch selbst. Das Hotel sagt, ällerbätsch, wir haben nur noch eine teure Suite.

8.1.: Mein Koffer entschließt sich, erst mal in O'Hare zu bleiben. Ich würde dann doch lieber fliegen, auch wenn fünf Stunden Aufenthalt in der Suite exklusiv toll waren. Im Schlaf hab ich super viel davon gesehen. Trotzdem entschließe ich mich, auf dem Flughafen herumzuwarten, ob nicht doch ein Platz in irgendeinem Flug Richtung Heimat frei wird. Stundenlanges Herumsitzen. Wunderbar.

Wie kommt's, dass das gerade heute hochkommt, wo jener welche doch so ziemlich derjenige von meinen Exfreunden ist, dem ich am wenigsten krumm nehme, dem ich nicht nachtrauere und mit dem ich nicht hadere? Wenn nicht wie hier, haha. Anscheinend war Zorn wohldosiert gespeichert, aber von Schuldgefühlen - es geht ja nicht anders, irgendwie wird's schon meine Schuld gewesen sein - und Hilflosigkeit überschrieben oder weggedrückt. Doch wenn wie jetzt Zorn von anderswoher kommt, der sich mit Trauer mischt, und wenn dann noch eine ganze Ladung anderer Empfindungen dazukommt, die ich nicht einordnen, geschweige denn benennen kann, wenn ich mich also nur hilflos, überfordert fühle und mich dann noch jemand beschuldigt, sodass 30 Jahre alter Zorn aufsteigt, dann kommt auch so etwas Altes und scheinbar Nichtiges zum Vorschein. Hah, wenn man meint, wenn man endlich das gefunden hat, was einen glücklich macht, und wenn man meint, dass das nun endlich alles, was vorher schlecht war, ausmerzt, dann hat man falsch gedacht. Und das mit dem sich Verlassen auf den Bauch ist auch so eine Sache. Mein Bauch verwirrt mich, und wenn er mich nicht verwirrt, dann spricht er Dinge, die mich unglücklich machen, weil sie Leiden bedeuten.

Die Welt kann mir gestohlen bleiben. Und warum ist es immer ein Fehler, kompliziert zu sein? Warum kann man nicht einfach angenommen werden? Warum muss es heißen, och, du bist schon kompliziert, seltsam, ganz, ganz eigen, aber ich mag dich TROTZDEM?

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