Curb your enthusiasm
Heute bin ich ein bisschen sentimental. Einen kleinen Hauch von. Etwas hat mich auf "Fix It" von Coldplay gebracht, und ich habe mir die Version von Young@Heart angesehen. Es gibt Musikstücke, die mich zu Tränen rühren. Dieses hat mich außerdem an den Abend erinnert, als ich den Film auf DVD ansah. Es war letztes Weihnachten, irgendwann nach den Feiertagen, die ganze Familie versammelt. Die neue Couch wurde probegesessen. Schön, etwas kühl, etwas hart. Die alte war abgesessen, aber mehr zum Fläzen geeignet.
Wir schauten im Dunkeln. Alle waren gebannt. Ich heulte Rotz und Wasser. Alle anderen waren gerührt. Ich hörte nicht mehr auf zu weinen. Manchmal weint man um mehr als um das, was es zu sein scheint. Als mein Großvater starb, als die ganze Verwandtschaft und alle seine Freunde in der Kirche und am Friedhof und davor und danach weinten, da weinte ich beinahe noch viel mehr als alle anderen. Ich erklärte es mir so, dass ich die traurige Atmosphäre in mir aufsog und darum noch mehr weinte. Aber ich war mir auch klar darüber, dass ich nun endlich wegen aller Dinge weinte, die in meinem Leben nie beweint wurden, worden waren. Einer schwarzen Last, die mich jahrelang klein hielt. Einer Angst, so groß zu sein, wie ich sein wollte. Einer Lebensschiene, die mir dumpf als irgendwie unpassend und zwickend erschien. Personen, die aus meinem Leben geschieden waren (und nun anderswo lebten). Und ich weinte, wie es immer zu sein scheint, umso mehr, je mehr ich es zu stoppen versuchte. On a track. No stopping.
Vor anderen Leuten, vor Leuten, die mich nicht gut kennen, habe ich noch nicht oft geweint. Als ich F. von den USA erzählte und ohne mein bewusstes Zutun plötzlich von meinem Erlebnis im Essay-Kurs sprach, kamen mir die Tränen. Warum? Vielleicht, weil ich auf einmal einen kurzen Blick auf einen glücklichen Moment erhaschte, während ich ihr in meinem Unglück gegenübersaß?
Als wir die DVD von Young@Heart anschauten und ich immer deutlicher fühlte, dass das ein unglaublich wahrer, echter und wunderwunderschöner Film war, da kamen die Tränen auch wegen anderer Dinge. So ein intensives Gefühl, von innen heraus mitgerissen zu werden, das Leben mit jeder Faser zu spüren, die Schönheit der Welt und die innere Schönheit von einzelnen Menschen an Gesten und Blicken zu erkennen, so etwas kannte ich von anderswo her, ich hatte es eben erlebt, und ich spürte beim Wiedererleben den Abschied deutlicher als davor. Ich hatte noch nicht getrauert. Nun saß ich da, als Fred auf der Bühne saß und "Fix It" sang. "When you love someone, and it goes to waste." Ich heulte innerlich auf.
Auch heute, da alles ganz anders ist, fühle ich bei diesen Zeilen und Tönen den letzten Dezember. Ich fühle die schneidende Kälte, die an meinen Stiefeln hochfließt. Die meinen Nacken, der von den hochgesteckten Haaren nicht gewärmt werden kann, streift. Und die mich doch nicht so recht berührt. Ich höre den Schnee unter meinen Füßen knirschen, während ich froh bin, noch pünktlich zu sein. Ich atme die Dunkelheit ein, die viele Menschen enthält, aber niemanden, den ich kenne. Ich fühle die sanfte Nervosität in meiner Brust, während ich die Schaukästen nach neuesten Kinoinformationen abtaste. Ich prüfe mich innerlich und denke, vermutlich erliege ich soeben einem Trugbild, vermutlich hat der Geist sich etwas zusammengezimmert. Ich erhasche einen Blick auf die digitale Zeit- und Temperaturanzeige, die sich in den Glastüren spiegelt, und ich verdrehe meinen Hals, um sie lesen zu können. In jenem Moment schreitet jemand in mein Blickfeld. Er hat mich bereits zuvor gesehen. Er lächelt. Was sagt mein Herz? Der Geist hat sich nichts eingebildet.
"Lights will guide you home." Niemals werde ich vergessen. Niemals all die kleinen Momente, in denen mir ein Licht aufging. Auch nicht die schönen, die ein Drehbuchautor nicht hätte schreiben dürfen, weil zu dick aufgetragen. Zu weit war meine Wahrnehmung aufgedreht. Bis zum Anschlag. Dafür reicht man bekanntlich meist selbst. Auch heute ist an dieser Intensität noch nicht viel anders. Andere Gefühle, aber selbe Lupenfunktion. Gereicht mittlerweile eher zum Unglück, letztlich. Damals, im Dezember, da passierte ein Leben in zwei Tagen. Schon wieder. In jenem Augenblick, als wir uns umarmten und ich den Nachdruck seiner Hand am unteren Rücken spürte, da rutschte mein Herz in die Traurigkeit und gleich weiter in Schockwahrnehmungsresistenz. Wie kann etwas so schön und so wahnsinnig traurig zugleich sein? Ist es die Sache von Genie und Wahnsinn, Gratwanderung zwischen Gut und Böse? Ich half einer Dame, die im Adventrummel ihren Weg verloren hatte, die Richtung wieder zu finden, und sie schaute durch den Schleier auf meinen Augen. Eine Sekunde lang sahen wir jede in das Herz der anderen.
Auf der Couch wusste niemand, warum ich hauptsächlich weinte. Gut so. Ich sprach innerlich einen weihnachtlichen Wunsch aus. Er wurde sogar bis heute erfüllt, obwohl ich nie für möglich gehalten hätte, dass ein Wunsch, der genauso fantastisch wie alle anderen Wünsche davor war, in Erfüllung gehen könnte.
Manchmal kreuzen sich die eigenen Wege mit jenen eines anderen Menschen zu einem Zeitpunkt, den man später als ungünstig erkennt. Den einen traf ich zwei, drei Jahre zu spät. Denn als ich kam, gab es schon die andere, zwei, drei Jahre lang. Heute weiß ich, dass er und ich ohnehin nie gut gewesen wären, dass er und sie hingegen sehr gut sind. Den anderen traf ich ein paar Jahre zu früh. Andererseits auch genau zum richtigen Zeitpunkt. Wäre es nicht so gewesen, wäre ich nicht dort gesessen, hätte nicht gedacht "Stimmt, das Leben ist schön! Ich muss meines ändern, damit es sich wieder wie das schöne von einmal lange her anfühlt." Das Schöne ist: Es hat so vieles einen Sinn. Manchmal muss man nur geduldig sein. Lesezeichen.
Wir schauten im Dunkeln. Alle waren gebannt. Ich heulte Rotz und Wasser. Alle anderen waren gerührt. Ich hörte nicht mehr auf zu weinen. Manchmal weint man um mehr als um das, was es zu sein scheint. Als mein Großvater starb, als die ganze Verwandtschaft und alle seine Freunde in der Kirche und am Friedhof und davor und danach weinten, da weinte ich beinahe noch viel mehr als alle anderen. Ich erklärte es mir so, dass ich die traurige Atmosphäre in mir aufsog und darum noch mehr weinte. Aber ich war mir auch klar darüber, dass ich nun endlich wegen aller Dinge weinte, die in meinem Leben nie beweint wurden, worden waren. Einer schwarzen Last, die mich jahrelang klein hielt. Einer Angst, so groß zu sein, wie ich sein wollte. Einer Lebensschiene, die mir dumpf als irgendwie unpassend und zwickend erschien. Personen, die aus meinem Leben geschieden waren (und nun anderswo lebten). Und ich weinte, wie es immer zu sein scheint, umso mehr, je mehr ich es zu stoppen versuchte. On a track. No stopping.
Vor anderen Leuten, vor Leuten, die mich nicht gut kennen, habe ich noch nicht oft geweint. Als ich F. von den USA erzählte und ohne mein bewusstes Zutun plötzlich von meinem Erlebnis im Essay-Kurs sprach, kamen mir die Tränen. Warum? Vielleicht, weil ich auf einmal einen kurzen Blick auf einen glücklichen Moment erhaschte, während ich ihr in meinem Unglück gegenübersaß?
Als wir die DVD von Young@Heart anschauten und ich immer deutlicher fühlte, dass das ein unglaublich wahrer, echter und wunderwunderschöner Film war, da kamen die Tränen auch wegen anderer Dinge. So ein intensives Gefühl, von innen heraus mitgerissen zu werden, das Leben mit jeder Faser zu spüren, die Schönheit der Welt und die innere Schönheit von einzelnen Menschen an Gesten und Blicken zu erkennen, so etwas kannte ich von anderswo her, ich hatte es eben erlebt, und ich spürte beim Wiedererleben den Abschied deutlicher als davor. Ich hatte noch nicht getrauert. Nun saß ich da, als Fred auf der Bühne saß und "Fix It" sang. "When you love someone, and it goes to waste." Ich heulte innerlich auf.
Auch heute, da alles ganz anders ist, fühle ich bei diesen Zeilen und Tönen den letzten Dezember. Ich fühle die schneidende Kälte, die an meinen Stiefeln hochfließt. Die meinen Nacken, der von den hochgesteckten Haaren nicht gewärmt werden kann, streift. Und die mich doch nicht so recht berührt. Ich höre den Schnee unter meinen Füßen knirschen, während ich froh bin, noch pünktlich zu sein. Ich atme die Dunkelheit ein, die viele Menschen enthält, aber niemanden, den ich kenne. Ich fühle die sanfte Nervosität in meiner Brust, während ich die Schaukästen nach neuesten Kinoinformationen abtaste. Ich prüfe mich innerlich und denke, vermutlich erliege ich soeben einem Trugbild, vermutlich hat der Geist sich etwas zusammengezimmert. Ich erhasche einen Blick auf die digitale Zeit- und Temperaturanzeige, die sich in den Glastüren spiegelt, und ich verdrehe meinen Hals, um sie lesen zu können. In jenem Moment schreitet jemand in mein Blickfeld. Er hat mich bereits zuvor gesehen. Er lächelt. Was sagt mein Herz? Der Geist hat sich nichts eingebildet.
"Lights will guide you home." Niemals werde ich vergessen. Niemals all die kleinen Momente, in denen mir ein Licht aufging. Auch nicht die schönen, die ein Drehbuchautor nicht hätte schreiben dürfen, weil zu dick aufgetragen. Zu weit war meine Wahrnehmung aufgedreht. Bis zum Anschlag. Dafür reicht man bekanntlich meist selbst. Auch heute ist an dieser Intensität noch nicht viel anders. Andere Gefühle, aber selbe Lupenfunktion. Gereicht mittlerweile eher zum Unglück, letztlich. Damals, im Dezember, da passierte ein Leben in zwei Tagen. Schon wieder. In jenem Augenblick, als wir uns umarmten und ich den Nachdruck seiner Hand am unteren Rücken spürte, da rutschte mein Herz in die Traurigkeit und gleich weiter in Schockwahrnehmungsresistenz. Wie kann etwas so schön und so wahnsinnig traurig zugleich sein? Ist es die Sache von Genie und Wahnsinn, Gratwanderung zwischen Gut und Böse? Ich half einer Dame, die im Adventrummel ihren Weg verloren hatte, die Richtung wieder zu finden, und sie schaute durch den Schleier auf meinen Augen. Eine Sekunde lang sahen wir jede in das Herz der anderen.
Auf der Couch wusste niemand, warum ich hauptsächlich weinte. Gut so. Ich sprach innerlich einen weihnachtlichen Wunsch aus. Er wurde sogar bis heute erfüllt, obwohl ich nie für möglich gehalten hätte, dass ein Wunsch, der genauso fantastisch wie alle anderen Wünsche davor war, in Erfüllung gehen könnte.
Manchmal kreuzen sich die eigenen Wege mit jenen eines anderen Menschen zu einem Zeitpunkt, den man später als ungünstig erkennt. Den einen traf ich zwei, drei Jahre zu spät. Denn als ich kam, gab es schon die andere, zwei, drei Jahre lang. Heute weiß ich, dass er und ich ohnehin nie gut gewesen wären, dass er und sie hingegen sehr gut sind. Den anderen traf ich ein paar Jahre zu früh. Andererseits auch genau zum richtigen Zeitpunkt. Wäre es nicht so gewesen, wäre ich nicht dort gesessen, hätte nicht gedacht "Stimmt, das Leben ist schön! Ich muss meines ändern, damit es sich wieder wie das schöne von einmal lange her anfühlt." Das Schöne ist: Es hat so vieles einen Sinn. Manchmal muss man nur geduldig sein. Lesezeichen.
ronjavondermattisburg - 18. Okt, 04:56